Der Maler und das Maedchen - Roman by Margriet de Moor

Der Maler und das Maedchen - Roman by Margriet de Moor

Autor:Margriet de Moor
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446236981
Herausgeber: Carl Hanser Verlag Muenchen
veröffentlicht: 2011-01-14T05:00:00+00:00


Dienstag. Sie bekam ein schweißtreibendes Mittel aus in Bier aufgelöster Myrrhe. Sie bekam ein Klistier, in dem fein zerriebener Rubin verarbeitet war.

»Bar auf die Hand bitte«, sagte die Frau, die die Arzneien verabreichte, zum Maler.

Keine böse Hexe, nur eine Person, die völlig teilnahmslos geworden war aufgrund des Übermaßes an Kranken, zu denen sie geschickt wurde. Ihrer Visite war am frühen Morgen der Besuch eines städtischen Kontrolleurs vorangegangen. Pestkranke mußten unverzüglich gemeldet werden, bei Zuwiderhandlung drohte eine Strafe von zwei Gulden. »Es hat gerade erst angefangen«, hatte Mie Magdaleen dem Mann versichert, nachdem sie ihn eingelassen hatte. Er war die Treppe hinaufgegangen, hatte von der Tür aus einen Blick ins Krankenzimmer geworfen, war wieder hinuntergestampft, und tack, tack, tack!, da hatte er schon ein weißgekalktes Stück Holz über die Haustür genagelt. Auch hatte er – alles nach städtischer Vorschrift – mit weißem Pinsel ein großes P mitten auf die Tür gemalt.

Während die Frau mit der Kranken beschäftigt war, sah der Maler aus einer Zimmerecke zu. Ricky starrte ihn auch dann noch aus glasigen Katzenaugen an, als sie auf die Seite gerollt wurde. Die Frau war geschickt. Auch sie stand im Dienst der Stadt, die ihre Ärzte lieber für später aufsparte, wenn die Epidemie wieder vorbei wäre, und diese Art von Krankheitsfällen daher größtenteils Nothelfern überließ, den im übrigen sehr fachkundigen Pestmeistern und -meisterinnen, mit Anrecht auf eine Gefahrenzulage zusätzlich zu ihrem Salär.

»Habt ihr Knoblauch und schwarzen Senf im Haus?« fragte die Frau.

Der Maler, der, was den Ausgang der Krankheit betraf, auf jeden Fall bis Donnerstagnachmittag auf den zweiten Lösungsweg – Genesung – eingestellt bleiben würde, empfand ihren Ton als angenehm, überlegen, in nichts auf eine mögliche Niederlage anspielend.

Das Geforderte hatten sie. Ricky bekam drei Tage lang einen Brei auf ihre Beulen, ein Nahrungsmittel, das aus Senf, Knoblauch und dem eingekochten, getrockneten und danach pulverisierten Blut eines lebenden Hahns bereitet war. Mochte die Krankheit auch göttlichen Ursprungs und Plans sein, die Symptome und Heilmethoden waren dunkel, eklig und rein irdisch.

Kann man sein Glück oder auch ein lächerliches bißchen guter Hoffnung mit einem anderen teilen? Man kann es, bis zu dem Augenblick, in dem dieser andere, der sich öfter und länger an ihrem Bett aufhält, mit einem Gesicht heruntergekommen ist, das man kaum erträgt. Sein Sohn trank nicht. Er an diesem Mittwochabend schon.

»Sie wird es schaffen«, erklärte er. »Drei, vier Tage, du wirst schon sehen.«

Sein Sohn stand am Küchentisch, wo er den Glühstrumpf der Lampe höher und wieder niedriger drehte, und reagierte nicht. Nachdem mindestens eine ganze Minute vergangen war: immer noch nicht. Er selbst saß im Dunkeln, neben der Tür zum Hinterzimmer, in dem er jetzt schlief, in einem Bett inmitten der zum Verkauf stehenden Sachen.

Er beugte sich zur Seite, tastete unter seinem Stuhl und fand den Geneverkrug.

»Ich red’ mit dir …!!«

Da sah er, daß sein Sohn ihn allein gelassen hatte. Er sah es, als der Junge sich ihm zuwandte, nicht einmal verärgert ob seines Gebrülls, macht überhaupt nichts, und ihn sein Gesicht lesen ließ, ein ruhiges Gesicht, auf dem die Wahrheit ihre scheußliche Fratze zeigte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.